Verfahren der Unternehmensbewertung:

Die Unternehmensbewertung umfasst eine Vielzahl von Fragestellungen, die häufig kontrovers diskutiert werden, und unterliegt einem stetigen Wandel. Daneben weist sie einen hohen Praxisbezug auf.

Gesamtbewertungsverfahren

Unternehmen sind zweckgerichtete Kombinationen von materiellen und immateriellen Werten, durch deren Zusammenwirken finanzielle Überschüsse erwirtschaftet werden sollen. Der Wert eines Unternehmens wird daher grundsätzlich nicht durch die Werte der Einzelbestandteile des Vermögens und der Schulden bestimmt, sondern durch das Zusammenwirken aller Werte.

Vor diesem Hintergrund wird der Wert eines Unternehmens unter der Voraussetzung ausschließlich finanzieller Ziele grundsätzlich durch den Barwert aller künftigen mit dem Eigentum an dem Unternehmen verbundenen Nettozuflüsse an die Unternehmenseigner bestimmt (Zukunftserfolgswert). Der Barwert wird mittels eines Kapitalisierungszinssatzes ermittelt, der die Rendite aus einer zur Investition in das Unternehmen adäquaten Alternativanlage repräsentieren soll. Der Wert des Unternehmens wird also allein aus seiner Eigenschaft abgeleitet, finanzielle Überschüsse für die Unternehmenseigner zu erwirtschaften.

Allgemein anerkannte Grundsätze der Unternehmensbewertung finden sich u.a. in dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen“ (IDW S 1), der letztmals im Jahr 2008 umfassend überarbeitet wurde.

In Deutschland ist das Ertragswertverfahren vorherrschend. Dieses Verfahren wird auch in der aktuellen Rechtsprechung als vorzugswürdig angesehen. Inzwischen werden häufig auch Discounted-Cash-Flow-Verfahren zur Unternehmensbewertung herangezogen, insbesondere weil die Zahl grenzüberschreitender Transaktionen und der Einfluss internationaler Investoren zunehmen. Beide Verfahren sind indes grundsätzlich gleichwertig und führen bei einheitlichen Bewertungsprämissen zu identischen Ergebnissen, da sie auf derselben investitionstheoretischen Grundlage basieren.

Die Prognose der künftigen Einnahmen- oder Ertragsüberschüsse ist das zentrale Element der Unternehmensbewertung. Dabei sind Risiken und Chancen in gleicher Weise zu würdigen. Eine Analyse der tatsächlich erzielten Ergebnisse der Vergangenheit gibt hierfür eine erste Orientierung.

Der Diskontierungssatz wird kapitalmarktorientiert bemessen. Theoretisch wäre die Rendite der besten Alternativanlage zu verwenden, die sich dem Anteilseigner neben der Anlage im zu bewertenden Unternehmen bietet. Da die praktische Umsetzung dieser Forderung schwierig ist, wird in Theorie und Praxis regelmäßig ein Näherungsverfahren angewendet, indem typisierend auf die Renditen von am Kapitalmarkt notierten Unternehmensanteilen (Aktienportfolio) als Ausgangsgröße abgestellt wird. Dies gilt unabhängig von der Rechtsform des zu bewertenden Unternehmens, da diese Form der Alternativanlage grundsätzlich allen Anteilseignern zur Verfügung steht. Diese Renditen werden in einen Basiszinssatz und eine Risikoprämie zerlegt, die die Anteilseigner aufgrund der Übernahme unternehmerischen Risikos fordern. Dieses Vorgehen ist auch für die Bewertung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) sachgerecht. Insbesondere die verschiedenen Methoden zur Ermittlung der Risikoprämie sind in Theorie und Praxis durchaus umstritten.

In Abhängigkeit vom Zweck der Bewertung ergeben sich in der Regel unterschiedliche Annahmen über die Prognose und Diskontierung der künftigen finanziellen Überschüsse. Ist der Sachverständige als neutraler Gutachter tätig, wird häufig entsprechend IDW S 1 mit nachvollziehbarer Methodik ein von den individuellen Wertvorstellungen betroffener Parteien unabhängiger Wert des Unternehmens, der sog. objektivierte Unternehmenswert, ermittelt.

Der Standard des IDW ist in vielen Teilen eher auf Bewertungen großer, kapitalmarktorientierter Unternehmen ausgerichtet, die z.B. im Rahmen von Abfindungsermittlungen nach dem Aktien- oder Umwandlungsgesetz durchzuführen sind. Bei der Unternehmensbewertung stehen in der Praxis allerdings weit überwiegend nicht große, börsennotierte Unternehmen im Vordergrund, sondern vielmehr kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU), beispielsweise im Zusammenhang mit Nachfolgeregelungen, beim Ausscheiden von Gesellschaftern, im Rahmen des Zugewinnausgleichs oder im Steuer- und Erbrecht. Gerade die Bewertung von KMU stellt an den Sachverständigen besondere Anforderungen, da die allgemeinen Bewertungsgrundsätze häufig nicht ohne Modifikationen übertragen werden können. Dem auf Erfahrung und Sachverstand gegründeten Urteilsvermögen des Gutachters kommt hier eine entscheidende Bedeutung zu.

Einzelbewertungsverfahren

Zu nennen sind der Liquidations- und der Substanzwert.

Wäre es rein ökonomisch vorteilhafter, die Vermögensteile des Unternehmens einzeln zu verwerten, anstatt das Unternehmen fortzuführen, ist die Summe der erzielbaren Nettoerlöse maßgebend. Die Kosten einer Liquidation sind Wert mindernd zu erfassen. Der Liquidationswert stellt die ökonomische Bewertungsuntergrenze dar. Er ist grundsätzlich immer dann maßgebend, wenn die Nettoerlöse aus der (fiktiven) Liquidation des Unternehmens höher wären als der Ertragswert bei Annahme der Fortführung des Unternehmens.

Die betriebswirtschaftliche Theorie versteht unter dem Begriff des Substanzwerts ausschließlich Rekonstruktionswerte. Der Substanzwert ist für die Ermittlung des Gesamtwertes eines fortzuführenden Unternehmens ohne Aussagewert. Er hat nur in wenigen Ausnahmefällen einen selbständigen Aussagewert, z.B. wenn die beste alternative Kapitalverwendung der Unternehmensnachbau wäre. Auch das sog. Stuttgarter Verfahren, das bis 2008 als vereinfachtes Wertermittlungsverfahren im Erbschaft- und Schenkungssteuerrecht anzuwenden war und eine Kombination von Substanz- und Ertragswert darstellte, zählt ebenso wie andere sog. „Mischverfahren“ (z.B. Mittelwertverfahren) nicht zu den Verfahren ordnungsmäßiger Unternehmensbewertung.

Eine besondere Ausprägung des Liquidationswerts ist der Substanzwert im Sinne einer Marktwertbilanz. Dieser Bewertungsansatz wird auch als Net Asset Value (NAV) bezeichnet und ist eine im gewöhnlichen Geschäftsverkehr anerkannte und übliche Bewertungsmethode für Immobilien- und Projektgesellschaften sowie Private Equity Gesellschaften. Das Konzept des NAV wird vor diesem Hintergrund auch in der Rechtsprechung anerkannt. Definiert ist dieser „Substanzwert“ als Summe der Marktwerte der Vermögensgegenstände abzüglich des Marktwerts der Schulden. Im Gegensatz zum Liquidationswert der Bewertungstheorie unterbleibt beim NAV der Abzug aller mit einer Liquidation verbundenen Kosten. In der Regel wird als Abzugsposten allerdings der Barwert der laufenden Verwaltungskosten abgezogen. Der NAV entspricht dem Reinvermögen eines Unternehmens unter Einschluss der stillen Reserven.

Überschlagsrechnungen

Es handelt sich um marktpreisorientierte Verfahren, die auf tatsächlich realisierte Preise für das zu bewertende oder für vergleichbare Unternehmen abstellen. Statt realisierter Preise werden auch die Börsen- oder Marktkapitalisierung verwendet (Zahl der Aktien x Kurs). Werden Preise für vergleichbare Unternehmen zugrunde gelegt, werden diese zu Finanzkennzahlen dieser Unternehmen (z.B. Umsatz, Gewinn vor Zinsen und Steuern) in Beziehung gesetzt, um Multiplikatoren abzuleiten. Anhand der gleichen Finanzkennzahlen des zu bewertenden Unternehmens wird sodann mithilfe der Multiplikatoren auf den Wert des Bewertungsobjekts geschlossen.

Multiplikatorverfahren kommen in der Praxis häufig zur Kaufpreisermittlung bei Übertragungen kleiner und mittelgroßer Unternehmen oder als branchenübliche „Faustformeln“ zur Anwendung. Sie sind aber auch bei Investmentbankern beliebt und finden z.B. im Rahmen von Fairness Opinions Anwendung. Die Vorteile dieser Verfahren werden u.a. in der geringen Bewertungskomplexität und hohen Bewertungsgeschwindigkeit sowie der leichten Kommunizierbarkeit und weiten Verbreitung gesehen.

Diese Verfahren sind für die Ermittlung eines fundamentalen Unternehmenswerts eher ungeeignet. Sie sind häufig zu ungenau und äußerst subjektiv, können allerdings gute Anhaltspunkte für Plausibilitätsüberlegungen bieten.